FRRA Legal Blog: Die unterjährige Entlastung in der GmbH

Dem Rechtsinstitut der Entlastung kommt im österreichischen Gesellschaftsrecht, insbesondere im GmbH-Recht eine erhebliche Bedeutung zu: Durch einen Entlastungsbeschluss signalisieren die Gesellschafter:innen ihre Zustimmung zu der von der Geschäftsführung verfolgten Kurspolitik. Zudem führt die Entlastung zur Präklusion von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer:innen. Auch eine Abberufung nach § 16 Abs 2 GmbHG oder eine Kündigung des Geschäftsführer:innen-Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund ist nicht mehr möglich.

Die oben genannte Wirkung der Entlastung beschränkt sich aber auf jene Umstände, die den Gesellschafter:innen bei Fassung eines Entlastungsbeschlusses bekannt sind oder die bei sorgfältiger Prüfung aller Unterlagen erkennbar waren. Als Unterlage kommt insbesondere der Jahresabschluss in Betracht, zumal die Entlastung üblicherweise nach dessen Feststellung erteilt wird. Zwingend ist dies bei der GmbH – anders als bei der AG – freilich nicht. Liegen besondere Gründe vor, kann die Entlastung auch unterjährig erteilt werden. Ein in der Praxis häufig anzutreffender Grund für die unterjährige Entlastung eines Geschäftsführers/einer Geschäftsführerin ist dessen/deren Abberufung.

Fraglich ist allerdings, wie weit die Präklusionswirkung einer unterjährigen Entlastung reicht. Wird kein Zwischenabschluss erstellt und liegen auch ansonsten keine schriftlichen Unterlagen vor, aus denen ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin erkennbar ist, so beschränkt sich die Präklusionswirkung der Entlastung auf jene Tatsachen, die den Gesellschafter:innen auf andere Weise bekannt geworden sind. Für den/die Geschäftsführer:in ist mit einer solch „halbgaren“ Entlastung meist wenig gewonnen. Sie birgt aber auch für die Gesellschafter:innen Gefahren. Wollen sie nämlich trotz eines solchen Entlastungsbeschlusses Schadenersatzansprüche gegen den Geschäftsführer bzw. die Geschäftsführerin geltend machen, so trifft sie die Beweislast dafür, dass ihnen das pflichtwidrige Handeln des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin nicht bekannt war. Mangels schriftlicher Unterlagen steht hier wohl häufig Aussage gegen Aussage, sodass es im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung letztlich darauf ankommt, wem das Gericht mehr Glauben schenkt.

Um diese für alle Beteiligten unbefriedigende Situation zu vermeiden, könnte der/die Geschäftsführer:in vor seiner/ihrer unterjährigen Entlastung einen umfassenden Bericht über die Entwicklung der Gesellschaft seit dem letzten Bilanzstichtag an sämtliche Gesellschafter:innen übermitteln. Letztere können einen solchen Bericht durch Ausübung ihres Weisungsrechts natürlich auch aktiv einfordern, bevor sie über die Entlastung entscheiden.

Autor: Dr. Stefan Hammerschmidt, LL.B.

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