Durch die nationale Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie wird es in Zukunft möglich sein, Kapitalgesellschaften im EU-Raum über die Grenze umzugründen.
Mit der Mobilitäts-Richtlinie hat der europäische Gesetzgeber erstmals einen einheitlichen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen geschaffen, um auf diese Weise faktische Hindernisse bei der Ausübung der Niederlassungsfreiheit zu überwinden. Österreich hat die Umsetzungsfrist für die Mobilitäts-Richtlinie, die bis 31.01.2023 lief, zwar nicht eingehalten, inzwischen liegt aber die Regierungsvorlage für das EU-Umgründungsgesetz („EU-UmgrG“) vor. Als Tag des Inkrafttretens des EU-UmgrG ist in der Regierungsvorlage der 01.08.2023 vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt soll auch das EU-VerschG außer Kraft treten. Das EU-UmgrG regelt künftig grenzüberschreitende Umgründungsmaßnahmen, und zwar die grenzüberschreitende Umwandlung, die grenzüberschreitende Verschmelzung und die grenzüberschreitende Spaltung. Bislang war im österreichischen Recht nur die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften ausdrücklich geregelt. Die Umsetzung der Mobilitäts-Richtlinie bringt daher eine willkommene Erleichterung für die Umgründungspraxis.
Erfreulich ist zudem, dass alle grenzüberschreitenden Umgründungsarten in einem Gesetz zusammengefasst werden. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt ein Blick auf das nationale Umgründungsrecht, wo eine einheitliche Kodifikation bislang fehlt. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen finden sich hier in verschiedenen Materiengesetzen wieder. So ist die (inländische) Verschmelzung z.B. im Aktiengesetz und teilweise im GmbH-Gesetz geregelt, während sich die Bestimmungen für die (inländische) Spaltung in einem eigenen Spaltungsgesetz finden. Von dieser (äußerst unübersichtlichen) Regelungstechnik geht die Regierungsvorlage zum EU-UmgrG ab.
Nachstehend fassen wir die wesentlichen Eckpunkte des Gesetzesvorhabens zusammen, das – sollte es in dieser Form umgesetzt werden – einen Meilenstein im österreichischen Umgründungsrecht darstellt.
Grenzüberschreitende Umwandlung ermöglicht Verlegung des Satzungssitzes
Das EU-UmgrG spricht nicht von der grenzüberschreitenden Sitzverlegung, sondern verwendet den Terminus „grenzüberschreitende Umwandlung“. Das ist der Tatsache geschuldet, dass es sich nicht nur um eine isolierte Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft handelt, sondern es ändert sich auch die Rechtsform der Gesellschaft. Verlegt beispielsweise eine österreichische GmbH ihren Satzungssitz in die Niederlande, wird aus ihr nach abgeschlossener Umwandlung eine niederländische B.V. Durch das EU-UmgrG kann eine grenzüberschreitende Umwandlung in beide Richtungen vorgenommen werden, man spricht dann entweder von einer Hinaus-Umwandlung (österreichische Kapitalgesellschaft verlegt den Satzungssitz in einen anderen Mitgliedsstaat) oder einer Herein-Umwandlung (EU-ausländische Kapitalgesellschaft verlegt ihren Satzungssitz nach Österreich).
Überführung der Bestimmungen über grenzüberschreitende Verschmelzungen in das EU-UmgrG
Die Verschmelzung (umgangssprachlich auch oft als Fusion bezeichnet) von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften ist bereits seit Inkrafttreten des EU-Verschmelzungsgesetzes im Jahr 2007 gesetzlich geregelt. Um eine weitere Zersplitterung des österreichischen Umgründungsrechts zu vermeiden, soll das EU-Verschmelzungsgesetz mit Inkrafttreten des EU-UmgrG aufgehoben und die grenzüberschreitende Verschmelzung mit der grenzüberschreitenden Umwandlung und Spaltung im EU-UmgrG zusammengefasst werden. Angesichts der ohnehin verspäteten Umsetzung wird von ausdrücklichen Übergangsvorschriften – im Sinn einer weiteren Anwendbarkeit des EU-VerschG über den 31.07.2023 hinaus – Abstand genommen, weil keineswegs gewährleistet erscheint, dass andere Mitgliedstaaten dann noch an einer nach früherer Rechtslage konzipierten grenzüberschreitenden Verschmelzung mitwirken würden. Inhaltlich ändert sich durch die Überführung in das EU-UmgrG wenig. Gewisse Erleichterungen sind nunmehr für die Verschmelzung zur Aufnahme einer 100%-igen Tochtergesellschaft vorgesehen. So ist hier etwa – auch ohne ausdrücklichen Verzicht der Gesellschafter – keine Verschmelzungsprüfung erforderlich.
Auch grenzüberschreitende Spaltung nun zulässig
Das EU-UmgrG ermöglicht nun erstmalig auch grenzüberschreitende Spaltungen von Kapitalgesellschaften. Künftig kann daher z.B. eine österreichische GmbH im Wege der Spaltung Vermögen an eine oder mehrere deutsche GmbHs übertragen (Hinaus-Spaltung). Auch die umgekehrte Variante, also eine Spaltung von Vermögen einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf eine oder mehrere inländische Kapitalgesellschaften, ist natürlich zulässig (Herein-Spaltung).
Soll die übertragende Gesellschaft nach der Spaltung fortbestehen, spricht man von einer Abspaltung. Bei einer Aufspaltung wird die übertragende Gesellschaft hingegen aufgelöst und ihr gesamtes Vermögen auf zwei oder mehrere übernehmende Gesellschaften übertragen. Die übernehmenden Gesellschaften müssen im Zuge der grenzüberschreitenden Spaltung neu gegründet werden (Spaltung zur Neugründung). Eine grenzüberschreitende Ab- bzw. Aufspaltung auf bereits bestehende Gesellschaften (Spaltung zur Aufnahme) ist – anders als bei innerstaatlichen Spaltungen – nicht möglich.
Für ein Novum im österreichischen Spaltungsrecht sorgt das EU-UmgrG (bzw. die damit umgesetzte Mobilitäts-Richtlinie) mit der Ausgliederung. Dabei überträgt eine Gesellschaft einen Teil ihres Vermögens auf eine oder mehrere neu gegründete Gesellschaft(en) in einem anderen Mitgliedsstaat. Anders als bei anderen Spaltungsformen erhalten aber nicht die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, sondern die übertragende Gesellschaft selbst Anteile an der/den übernehmenden Gesellschaft(en). Die Ausgliederung ermöglicht es Unternehmen daher, Tochtergesellschaften im EU-Ausland zu gründen und ihnen gleichzeitig Vermögen zu übertragen. Da die übertragende Gesellschaft Alleingesellschafterin der übernehmenden Gesellschaft(en) ist, bedarf es hier weder eines Spaltungsberichts noch einer Spaltungsprüfung, wodurch sich die Kosten der Umgründungsmaßnahme reduzieren.
EU-UmgrG schützt Minderheitsgesellschafter, Gläubiger, Arbeitnehmer und die öffentliche Hand
Ähnlich wie das auf innerstaatliche Umgründungen anwendbare Recht, sieht das EU-UmgrG bei grenzüberschreitenden Umgründungen eine Vielzahl von Regelungen zum Schutz diverser Interessengruppen vor:
- Minderheitsgesellschafter, die der grenzüberschreitenden Hinaus-Umgründung widersprechen, haben Anspruch auf eine angemessene Barabfindung, deren Höhe auch gerichtlich überprüft werden kann.
- Gläubiger können von der Gesellschaft Sicherheiten verlangen, sofern sie glaubhaft machen, dass durch die grenzüberschreitende Hinaus-Umwandlung, die Verschmelzung oder die Hinaus-Spaltung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet ist.
- Bei der Hinaus-Umwandlung, der Verschmelzung und der Hinaus-Spaltung hat der Vorstand bzw. die Geschäftsführung im Umgründungsplan auf die voraussichtlichen Auswirkungen der grenzüberschreitenden Umgründung auf die Arbeitnehmer, die Beschäftigungslage, die Beschäftigungsbedingungen sowie das Verfahren zur Regelung der Mitbestimmungsrechte einzugehen. Dem Betriebsrat oder – wenn kein Betriebsrat eingerichtet ist – den Arbeitsnehmern sind der Umgründungsplan, der Umgründungsbericht sowie Jahresabschlüsse und Bilanzen zu übermitteln.
- Im Rahmen der Bestimmungen über die Hinaus-Umwandlung finden sich auch die Regelungen zur geplanten „Missbrauchskontrolle“, die kraft Verweises auch bei der Hinaus-Verschmelzung und der Hinaus-Spaltung zur Anwendung gelangen. Hierbei handelt es sich um ein Novum im österreichischen Umgründungsrecht. Beim Wegzug hat das Firmenbuchgericht nämlich nunmehr zu prüfen, „ob die Umwandlung [bzw. die Verschmelzung oder Spaltung] zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen oder es zu umgehen, oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll„. Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn die Umgründung zur Umgehung der Rechte der Arbeitnehmer, von Sozialversicherungszahlungen, von Steuerpflichten, von Forderungen anderer Gläubiger oder zu kriminellen Zwecken benutzt wird. Das erfordert eine Kontrolle anhand der Umstände des Einzelfalls, wobei das Gericht bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte aus der Anmeldung bzw. möglicherweise auch aus von Dritten übermittelten Informationen grundsätzlich davon ausgehen kann, dass kein Missbrauch vorliegt. Es muss dann keine weiteren Untersuchungsschritte setzen. Als missbräuchlich ist eine grenzüberschreitende Umgründung demnach unter anderem dann anzusehen, wenn die betreffende Gesellschaft Verhaltensweisen gesetzt hat, die als Sozialbetrug zu qualifizieren sind. Für den in der Praxis besonders wichtigen steuerlichen Bereich ist das Firmenbuchgericht an einen Auskunftsbescheid zum (Nicht-)Vorliegen von Missbrauch nach § 118 BAO gebunden, sofern ein solcher vorgelegt wird. Die Erläuterungen stellen klar, dass die wegziehende bzw. übertragende Kapitalgesellschaft zu dieser Vorlage nicht verpflichtet ist. Es wird aber genauso hervorgehoben, dass dadurch ein wichtiger Beitrag zur Vereinfachung der gerichtlichen Missbrauchsprüfung geleistet werden kann. Wahrscheinlich ist, dass die Firmenbuchgerichte künftig die Vorlage eines solchen Auskunftsbescheids verlangen werden.
Autoren: Stefan Hammerschmidt und Florian Wünscher